Dienstag, 8. Juni 2021

Spielen in den 50er- und 60er-Jahren - Teil 1

Warum nur berühren uns unsere alten Spielsachen so sehr? Ist es das Gefühl von Lebensfreude, das mit ihnen verbunden ist? Kommt das alles wieder hoch, wenn wir Bilder von unseren alten Spielsachen oder gar die Originale selbst sehen? 

Vielleicht ist es wie bei der Wiederbegegnung mit einem alten Freund. Man sieht sich ... "Nein! Wir haben uns aber lange nicht mehr gesehen! Wie geht es dir denn? Was hast du denn in der Zwischenzeit alles so gemacht? Und ... ach weißt du noch ...?"

Und dann landet man in einem gemütlichen Lokal und vergisst die Zeit. Irgendwann muss man nach Hause und verabredet sich zu einem nächsten Treffen, bei dem man sich noch so viel mehr zu erzählen hat. 

Ja, genau so geht es mir bei der Wiederbegegnung mit meinem alten Spielzeug. "Weißt du noch ...?"

Heute möchte ich diese versunkenen Gefühle wiederaufleben lassen, nachdem ich ein tolles altes Heft im Nachlass meiner Eltern gefunden habe. Es lag auf dem Dachboden in einem Karton. Als oberstes von einem Stapel mit vielen vielen anderen. 

Dieses aber ist ein besonders wertvolles Heft. So jedenfalls dachte ich damals als 4-jähriges Mädchen, wenn ich das Gold auf dem Titelbild und auch auf manchen Seiten sah. 

Eine Art Wappen (das hat doch was!) ziert die obere linke Ecke und auf goldenem Grund steht geschrieben: Film und Frau. Das Heft hat ein riesiges Format und lässt sich kaum auf dem Scanner platzieren. Es handelt sich um ein Sonderheft mit dem Thema "Unsere Kinder".

Gedruckt wurde es im Jahr 1958 und kostete 3,80 DM, für damalige Zeit ein stolzer Preis! Dass meine Eltern sich zu der Zeit so ein kostbares Heft leisten konnten - erstaunlich! Wir Kinder waren ihnen wohl das Geld wert.


 
 
Als ich das Heft entdeckt hatte, blätterte ich es nur kurz durch, denn es war einfach noch viel zu viel im Haus zu inspizieren. Ein Fass ohne Boden wartet dort auf mich. Daher steckte ich den kostbaren Fund ein und nahm ihn zum gemütlichen Lesen mit nach Hause. Nach so viel anstrengender Räumarbeit wollte ich mir jedes Mal ein "Bonbon" gönnen.
 
Der Augenblick kam. Mit einer Tasse Tee neben mir legte ich los ... ich blätterte ... und fühlte mich seltsam berührt. Meine Kindheit stieg wieder in mir auf. Ideen, Ideale, Erziehungsmaßstäbe. Wie skurril mir das alles erscheint - heute, da der Zeitgeist sich fast 70 Jahre lang gewandelt hat!
 
Zu der Zeit erschien einem das alles ja doch völlig normal! Ein Junge sollte ein "richtiger" Junge sein, ein Mädchen ein "echtes" Mädchen. Das spiegelte sich natürlich auch im Spielzeug wider.
 
Dazu möchte ich Beispiele zeigen und in mein eigenes Fotoalbum greifen. Fotos heraussuchen, die belegen, dass auch wir - mein Bruder und ich - dem damaligen Zeitgeist entsprechend mit Spielzeug ausgestattet wurden.

In dem Heft gibt es dazu eine Fotoseite, auf der dargestellt wird, welches Spielzeug für ein Kind im ersten Schulalter geeignet ist.
 
 
 

Der dazugehörende Text lautet:

Schulkinder spielen gerne mit wirklichkeitsgetreuem Spielzeug. Kleine Mädchen, die auf den massiven Herden ihrer Puppenküchen kochen, Babypuppen baden oder Waren im Kaufmannsladen verkaufen, wollen dazu echten Zucker, Reis, Kakao, Seife, Zahnpasta oder Hautcreme. Auch die Puppenkleider müssen alle modischen Details besitzen und die Puppenmöbel dürfen sich – bis auf die Größe – nicht viel von richtigen Möbeln unterscheiden. Vor allem muss so eine kleine Puppenstube all die Einzelheiten eines großen Zimmers aufweisen: winzige Blumenstöcke und Beleuchtungskörper, Tischdecken, Teppiche, Vorhänge …

Nicht minder anspruchsvoll sind die Jungen in diesem Alter, sie wollen eine zünftige Indianerausrüstung mit Zelt und Werkzeugen. Die mechanischen Fahrzeuge sollen der Farbe nach schon den wirklichen Autos angepasst sein. Die gleichen Ansprüche werden beim Basteln gestellt – die Flugzeuge, Schiffe und Autos, die am liebsten streng nach Vorlagen und Modellen angefertigt werden, müssen jetzt schon möglichst naturgetreu aussehen.

Kinder dieser Altersstufe finden auch schon langsam Gefallen daran, Bücher, die gefällig und geschmackvoll in Stil und Ausstattung sind, zum eigenen Vergnügen zu lesen.

Gesellschaftsspiele aller Art gibt es für Schulkinder in Hülle und Fülle. Am besten entscheidet man sich für die sogenannten Spielmagazine, die all die beliebten Spiele wie „Fang den Hut“, „Mensch ärgere dich nicht“ und „Halma“ enthalten. Ein abwechslungsreiches Vergnügen also.

Ganz groß werden der Zauberkasten und das Kasperletheater geschrieben. Machen Sie unbedingt Ihren Kindern gelegentlich die große Freude, den Vorführungen zuzusehen.

 

Soviel heute zur Vorgabe der Zeitschrift, die mich in meine eigene Kindheit zurückreisen lässt. Ich werde mich in den nächsten Folgen zum Thema auf einzelne Textpassagen beziehen und darstellen, wie ich selbst die Spielsachen meiner Kindheit erlebt habe.

Mögen viele Leser und Leserinnen meiner Generation Freude daran haben!

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