Das Möbelhaus Eggert in Bielefeld war für meinen Bruder und mich in den 50er-Jahren ein besonders beliebter Spielplatz. Ich erinnere mich an einen Besuch dieses Möbelhauses mit unseren Eltern. Die Ausstellungsräume waren mit dünnen Stellwänden voneinander getrennte Bereiche, die sich labyrinthartig aneinanderreihten.
Das schönste Kinderlabyrinth
1959
„Huhu … hier bin ich!“, rief ich leise, während ich aufs Äußerste gespannt hinter einem Sessel hockte. Hier würde er mich nicht so leicht finden, denn er war noch im benachbarten Quasi-Wohnzimmer, das lediglich durch eine tapezierte Sperrholzwand von dem Zimmer getrennt war, in dem ich mich gerade vor meinem dreijährigen Bruder versteckt hatte. Ich hörte, wie er näher kam, sich wieder entfernte, suchend herumrannte. Mein Versteck war richtig gut, denn von dem Sessel, hinter dem ich verborgen war, hing eine Decke herab, unter die ich gekrochen war, um mich völlig unsichtbar zu machen. Ich hörte, wie sich seine Schritte entfernten und ich frohlockte: Hier wird er mich niemals finden …
Doch dann hörte ich seine Stimme.
„Itta …?“
Kurz darauf noch ängstlicher: „Ittaaa, wo bist du???“
Dann fing er an zu weinen.
„Mutti“, jammerte er. „Mutti … Vati … wo seid ihr?“
Ich kroch schnell aus meinem Versteck, folgte seiner Stimme, musste mich dazu im undurchschaubaren Labyrinth der Stellwände einzig und allein auf mein Gehör verlassen. Da! Noch ein paar Schritte bis zu einem Bett, auf dem er rücklings ausgestreckt lag und weinte. Als er mich sah, sprang er auf und rannte auf mich zu.
„Itta, Ittaa!“, rief er und umklammerte mich. Seinen Kopf legte er auf meine Brust, wo er meinen Herzschlag spüren konnte.
Wir waren ein Herz und eine Seele, mein Bruder und ich. Und wenn unsere Eltern mit für uns uninteressanten Erwachsenensachen beschäftigt waren, wie es ein Möbelkauf fürs Wohnzimmer nun einmal war, dann suchten wir jede Gelegenheit, um uns von den langweiligen Beratungs- und Verkaufsgesprächen der Großen zu absentieren. Was interessierte es uns, von welchen Zusatzelementen zum Wohnzimmeranbauschrank sie träumten?
Und doch jubelten wir jedes Mal, wenn es nach Bielefeld zum Möbelgeschäft Eggert ging, in dem ein riesiger Ausstellungsraum mit -zig Stellwänden und Wohnräumen einen ebenso riesigen Kinderspaß versprach! Sobald sich die Erwachsenen zur Beratung durch einen Verkäufer an einen Tisch gesetzt hatten und konzentriert in einem Katalog blätterten, machten wir zwei uns verstohlen auf die Socken.
„Bleibt aber in der Nähe. Und macht nichts kaputt“, schickte Mutti noch besorgt hinterher.
Kaputtgemacht haben wir nie etwas. Aber verlaufen haben wir uns schon in dem unüberschaubaren Zimmerlabyrinth. Unsere Eltern schien das nicht sehr zu beunruhigen, wussten sie doch, dass die vier Außenwände des monumentalen Gebäudes uns davon abhalten würden, einfach wegzulaufen und draußen auf dem belebten Parkplatzgelände in ernsthafte Gefahr zu geraten.
Heute frage ich mich, was eigentlich die Angestellten des doch recht noblen Möbelhauses über unser spannendes Spiel dachten, das aus Rennen und Verstecken bestand. Ich kann mich nicht erinnern, dass einer von ihnen auch nur einmal etwas Kritisches zu unserem Treiben geäußert hätte. Im Gegenteil, sie lachten oft mit uns, wenn wir wieder auftauchten und fanden uns niedlich – uns zwei, die sich so oft in die Arme nahmen.
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WK stellte damals eine über viele Jahre ergänzbare Wohnzimmerschrankwand her, deren Elemente man frei wählen konnte. Meine Eltern fingen zu Beginn ihrer Ehe - ihrem kleinen Geldbeutel angepasst - mit wenigen Elementen an. Hier der "Ausbau" in Bildern:
Der erste Anbau 1960 - darin die Schreibklappe des Pseudo-Sekretärs:
Hinter der mittleren dunklen Tür befanden sich große Bücher. Die dunkle geriffelte Tür rechts beherbergte Getränkekaraffen für ausgewählte alkoholische Getränke, ein Muss in einer anständigen deutschen Schrankwand - das Barfach!
Historie der Marke WK-Möbel, die in dem Geschäft "Eggert" an der Niedernstraße in Bielefeld verkauft wurde
1912
Das Unternehmen WK wird 1912 unter dem Namen „Deutsche Werkstätten für Wohnkunst“ ins Leben gerufen. Den Gründern geht es darum, die Entwürfe rigoros vom Ballast des vorherrschenden Historismus zu befreien – und dies schon sieben Jahre, bevor das weltberühmte Bauhaus mit einer vergleichbaren Zielsetzung gegründet wird. Aufgrund dieser sehr ähnlichen Designphilosophien erweisen sich WK-Möbel und Bauhaus-Entwürfe als harmonisch miteinander kombinierbar.
1913
Die Marke „WK-Möbel“ wird offiziell eingeführt. Das Sortiment besteht vor allem aus Schlaf-, Arbeits- und Speisezimmern.
1952
Es entstehen bedeutende Entwürfe wie das erste zerlegbare Möbelprogramm „WKS – Constructa“ und das Wohnprogramm „WK-Satink“.
1962
Mit „WK 192“ entsteht das erste WK-Schranksystem in Endlosbauweise. Auch erste farbige Möbel werden vorgestellt. Zwei Jahre später folgt das Schiebetürsystem WK 197.